HENRIKE GÄNß

freie Architektin


Bitte benutzen sie einen "ernsthaften" Browser.
Please make use of a "serious" Browser.

ALLERDINGS

eine versachlichte Selbstuntersuchung

Am Anfang allen Entwerfens stellt sich die Frage nach der Legitimation, aus Natur- und Rohstoffen Kulturstoff zu machen. Ab wann trägt man zu einer wirklichen Neuerung der Umgebungsgestaltung bei? Mit welchen Dingen umgeben wir uns, wie sieht unser unMITTELbares Umfeld heute aus? Das uns umgebende Universum der Dinge expandiert seit der Industrialisierung. Auch scheint manchmal nicht mehr ganz klar zu sein, ob wir die Dinge besitzen oder ob es sich nicht genau andersherum verhält.

Die Wahrnehmung unserer Dingwelt scheint durch geschicktes Verstauen und Auslagern in Keller oder Dachboden im Alltag nur bedingt in unser Bewusstsein vorzudringen, erst bei Umzügen befreien wir sie aus den vielen Zimmern, Schränken und Schubladen und gestatten uns einen kritischen Blick.

Das Wesen der Dinge, das wusste schon Heraklit, hat die Angewohnheit, sich zu verbergen. Um diesem uns umgebenden Wesen und somit dem Wesentlichen näher zu kommen, gaben wir jedem "Ding" aus dem Besitz eines Menschen eine im ursprünglichen Wortsinn sachliche Bühne, auf das es anfangen sollte zu singen. Die Gesänge wurden zusammengetragen, in Beziehung gesetzt und dargestellt. Wir haben Dinge und wir sind Dinge. Die Spannungen dieser Doppelnatur auszuhalten, sie für eine geschärfte Wahrnehmung einzusetzen und den Entwurf unserer Umgebung an diesem Gegensatz zu schärfen ist Ziel dieser OBJEKTiven Selbstuntersuchung.

Jedes Besitzstück wurde in seinen Eigenschaften in einem Datenbanksystem erfasst, ausgewertet und in Beziehung gesetzt. Erhoben wurden neben primären Eigenschaften wie Größe, Gewicht, Preis und Materialien auch Informationen über Nutzungsintervalle, persönliche Verhältnisse zum Objekt, voraussichtliche Lebensdauer, ob dies nochmals gekauft würde, Statusrelevanz, Herkunftsland, Erwerbart und -datum, Aufbewahrungsort und die Notwendigkeit mit Unterkategorien in Lebens- und Arbeitsnotwendigkeit. Die definitionsabhängigen Erhebungskategorien wurden wie folgt festgelegt:

LEBENSNOTWENDIG | sind die für die Alltagsbewältigung essenziell benötigten Gegenstände oder welche eine Befriedigung materieller Grundbedürfnisse erzielen, sodass eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ohne Anstrengungen und Ausgrenzungen möglich ist. Ab welcher Anzahl diese, beispielsweise Schuhe, zum Luxus werden, leitet sich von der Funktion ab. Ein Paar Turnschuhe, feine und Alltagsschuhe für Sommer und Winter gehören zur Grundausstattung, weitere Modelle oder Spezialisierungen wie z. B. Wanderschuhe gehören in dieser Untersuchung zum Luxus.

ARBEITSNOTWENDIG | sind all jene Gegenstände, die zur Bewältigung des Arbeitsalltages nötig sind und das Arbeiten ohne zeitaufwendige Anstrengungen möglich machen.

LUXUS | luxuriös sind all jene Gegenstände, die weder lebens- noch arbeitsnotwendig sind.

STATUSRELEVANT | sind Gegenstände, die neben der reinen Funktionserfüllung eine Rolle in der sozialen Positionierung/Aufwertung innerhalb der Gesellschaft spielen.

Berichte über das Projekt Hab, aber Gut? (brand eins, 03/2012)